Chergui für 7 Instrumente (2012)
Fl.Kl.-Vib.Hf.Klav.-Vl.Vcl
(22 min)

Verlag
Boosey & Hawkes Berlin

Uraufführung
Ensemble Interface, Scott Voyles, Festival Ultraschall, Berlin 19. Januar 2013

Texte
Bernd Künzig über Chergui, Programmhefttext (2013)

Das für Borowski ungewöhnlich lange, einsätzige Stück entwickelt sich aus der Keimzelle eines kleinen Sekundintervalls in der Flöte. Das vierteltönige Bisbigliando in der Flöten- und Klarinettenstimme am Anfang durchweht ein leichter Hauch des Orientalischen. Denn Chergui ist die Bezeichnung für einen besonders trockenen, im Sommer heißen, im Winter kalten Wind in der marokkanischen Wüste. In den kurzen Keimzellen der Flöten- und Klarinettenstimme zu Beginn des Stückes kann man einen Hauch dieses Wüstenwindes erahnen. Und es ist der Name eines von Serge Lutens kreierten Parfums. Dieses hat eigentlich nichts mit dem Stück zu tun – parfümiert ist diese Musik ohnehin nicht. Lediglich der Sprachklang des Wortes scheint den Komponisten fasziniert zu haben. Und wie Musik zum Sprechen kommt, ist ein Grundthema der kompositorischen Arbeit Borowskis. Organik und Tektonik, Linie und Fläche, Melodie und Harmonik sind die Elemente, aus denen das Stück gebaut wird. Im letzten Drittel des Werkes entwickelt sich die eigentlich der deutsch-österreichischen Musik entstammende motivisch-thematische Arbeit hin zu einer schließlich durchaus französisch anmutenden Klangebene. Das Finale des Stücks wird nach einem schroffen Abbruch im Cello von sich immer wieder herausschälenden Tremoli beherrscht, als sei dies eine Hommage an die Tremoloverliebtheit mancher Kompositionen im Werk von Pierre Boulez. Die Assoziation mag berechtigt sein, bleibt dennoch etwas an der Oberfläche stecken. Denn eigentlich entfaltet sich auf dieser vom Bisbigliando in der Harfe und langen Haltetönen in der Flöte und Klarinette bestimmten Klangfläche ein geradezu nervenaufreibender Suspense-Effekt im Geiste Alfred Hitchcocks, in dem immer wieder schockartig eintretende Gesten im Vibraphon und Klavier, später auch in der Harfe, das sich verlangsamende Geschehen vorwärts zu treiben suchen. Die Idee der stetigen Klang-Wandlung wird in diesem einsätzigen Verlauf entscheidend. Am Ende kehrt das trocken Verwehte des Chergui wieder. Das Stück endet aber nicht mit einer Sekundgeste, sondern einer geradezu tonalen Harmonik. Drei kleine Terzen-Akzente im Klavier, der Harfe und dem Vibraphon tupfen das Stück aus, als käme nach dem Wind der Regen. Oder aber wir stehen am Ende wieder vor der Leere einer offenen Frage, die doch nur wieder ein nächster Anfang sein kann.

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